Oder: Was Diabetes und Rumpelstilzchen gemeinsam haben
Es ist ziemlich erschreckend:
- Nur 16 Prozent der Befragten wissen, dass Diabetes in einem direkten Zusammenhang mit Herzinfarkten steht.
- Nur magere 7 Prozent wissen, dass Diabetes einen Schlaganfall auslösen kann.
- Immerhin 50 Prozent (aber immer noch zu wenige) wissen, dass Übergewicht ein Risikofaktor für Diabetes ist.
- Und nur 13 Prozent der Befragten wissen, dass ein Verwandter mit Diabetes das eigene Risiko für die Erkrankung steigert.
Da sind die Gesundheitsmagazine der schreibenden Zunft und des Fernsehens voll von Berichten über die neue Volksseuche „Diabetes“. Man könnte also davon ausgehen, dass jeder weiß, dass Diabetes keine süße, harmlose Erkrankung ist, wo mal der Blutzucker ein bisschen erhöht, aber ansonsten harmlos ist.
Man könnte (beziehungsweise sollte) davon ausgehen, dass jeder weiß, wie die Ursachen und dann die Folgen dieser Krankheit aussehen. Denn, wie gesagt, es herrscht kein Informationsmangel zu diesem Thema.
Umso überraschender sind scheinen die Ergebnisse einer Befragung in Großbritannien zu sein. Hier die „Rohdaten“ der Überraschung:
- Nur 16 Prozent der Befragten wissen, dass Diabetes in einem direkten Zusammenhang mit Herzinfarkten steht.
- Nur magere 7 Prozent wissen, dass Diabetes einen Schlaganfall auslösen kann.
- Immerhin 50 Prozent (aber immer noch zu wenige) wissen, dass Übergewicht ein Risikofaktor für Diabetes ist.
- Und nur 13 Prozent der Befragten wissen, dass ein Verwandter mit Diabetes das eigene Risiko für die Erkrankung steigert.
Wer jetzt glaubt, dass die Ignoranz von Ottonormalverbraucher in Sachen Diabetes erschöpft ist, der hat die Rechnung ohne Otto gemacht. Denn es herrscht weitestgehende Unkenntnis bei den meisten, wenn es um die Folgeerkrankungen und -schäden geht, die von einem schlecht eingestellten Diabetes ausgehen.
So wissen, laut der Umfrage, 70 Prozent der Briten nicht, dass ein fortgeschrittener Diabetes mit der Amputation von Gliedmaßen und Erblindung enden kann.
Wenn man sich die offiziellen Zahlen anschaut, dann leiden zur Zeit rund 5 Prozent der Briten an Diabetes, Tendenz steigend (Diabetes in the UK 2010: Key statistics on diabetes). Das sind knapp 3 Millionen Diabetiker im Vereinigten Königreich.
Hochrechnungen gehen davon aus, dass die Zahl der Diabetiker bis zum Jahr 2025 auf mehr als 4 Millionen Erkrankte ansteigen wird (siehe auch: https://www.diabetes.org.uk/professionals/position-statements-reports/statistics/diabetes-in-the-uk-2012).
Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigt eindrucksvoll den Trend von 1996 bis 2005: Trends in the prevalence and incidence of diabetes in the UK: 1996-2005. Im Jahr 1996 starteten die Briten mit nur 2,8 Prozent Diabetikern. 2005 waren es dann schon beeindruckende 4,3 Prozent. Die Zahl der übergewichtigen Diabetiker nahm von 46 auf 56 Prozent zu.
Laut Robert-Koch-Institut sieht es in Deutschland noch wüster aus: Hier liegt der Prozentsatz von Diabetikern bei 7,2 Prozent. Man vermutete einen weiteren Pool an unentdeckten Diabetikern von 2,1 Prozent.
Aber trotz beträchtlicher Fallzahlen und einer noch bedrohlicheren Prognose für die nahe Zukunft ist das Wissen um die Katastrophe mehr als mager.
Die Menschen wissen anscheinend auch heute noch nicht, dass von zwei gleichaltrigen Individuen der Diabetiker eine 36-prozentig höhere Wahrscheinlichkeit hat, aus dem Leben zu scheiden, als ein Gesunder.
Statistisch gesehen sind diese 36 Prozent hoch signifikant. Damit lässt sich kaum die allgemein vorherrschende Meinung erklären, dass der Diabetes Typ-2 eine leichtzunehmende Erkrankung sei. Denn ein Diabetes geht nicht vorbei wie eine Erkältung.
Auf meiner Suche nach Befragungen in Deutschland im Stile der britischen Untersuchung bin ich nur indirekt fündig geworden.
Das Deutsche Diabetes Forschungsinstitut der Universität Düsseldorf hatte 2003 eine online Umfrage durchgeführt, in deren Verlauf die Befragten unter anderem auf diese Frage antworten sollten: „Sind Sie von Diabetes betroffen und/oder beruflich interessiert?“
Von den Befragten waren nur 4,9 Prozent weder betroffen oder beruflich interessiert. Das heißt also, dass nur knapp 5 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung an diesen Fragen interessiert sind (ohne über die Krankheit oder beruflich sich damit auseinander setzen zu müssen) und somit ein einigermaßen klares Bild von dieser Krankheit haben (sollten).
Laut Antidiabetika-Hersteller Sanofi-Aventis wissen die „meisten Deutschen“, dass Diabetes eine Volkskrankheit ist, die vererbt wird. Wenn die Aussage von Sanofi richtig ist, dann schlagen die Deutschen die Briten in Sachen Ignoranz um Längen.
Weiter führt die Webseite von Sanofi aus, dass die „breite Bevölkerungsschicht weder die Risikofaktoren der Erkrankung kennt, noch weiß, dass durch einen gesunden Lebensstil vorgebeugt werden kann.“
Eine von der Firma selbst durchgeführte bundesweite Umfrage „Wissen was bei Diabetes zählt: Gesünder unter 7“ gab Grund zu der Vermutung, dass die Aufklärung über Diabetes bei Weitem noch nicht ausreichend sei. Hier ein paar „Rohdaten“ dieser Befragung:
- Weniger als 50 Prozent der Befragten wissen, dass eine Hauptursache für Diabetes ein ungesunder Lebensstil ist.
- Nur 30 Prozent kennen Übergewicht als Risikofaktor.
- 15 Prozent gehen davon aus, dass Sport oder körperliche Bewegung bei zur Vorbeugung von Diabetes fehl am Platz sind.
Das deckt sich übrigens mit den Erfahrungen aus meiner Praxis.
Beispiele gefällig?
- „Mein Sohn isst morgens nun mal nur ein Nutella-Brot.“
- „Ach, ein wenig Naschen muss der Kleine doch dürfen…“
- „Ich brauche meine Nerven-Nahrung…“
Und wenn selbst bei Sportveranstaltungen dann auch noch Zucker-Limo (dazu gehören auch die Energy-Drinks!) ausgeschenkt werden, fällt mir gar nichts mehr ein.
Zurück zur Befragung: Von den befragten Diabetikern kannten über 70 Prozent nicht die Bedeutung von HbA1c, beziehungsweise warum dieser Wert für sie wichtig ist. Hier musste erst eine Pharmafirma etwas Licht in das süße Dunkel bringen. Von offizieller Seite scheint man nicht sonderlich interessiert zu sein.
Dies ist übrigens nicht meine Einschätzung, sondern die der online Ausgabe der „Welt“. Die schrieb nämlich im März 2013 unter dem Titel „Pro Tag 1000 neue Diabetes-Patienten in Deutschland“, dass paradoxerweise nur wenige Politiker ein Interesse an diesen Missständen zeigten. Und mit 1000 neuen Diabetes-Fällen jeden Tag liegt Deutschland einsam an der Spitze. Europameister im Krankwerden.
Und was haben nun Diabetes und Rumpelstilzchen gemeinsam? Naja, weder von Diabetes, noch von Rumpelstilzchen wissen die Meisten anscheinend, worum es sich handelt. Nur dass es sich bei Diabetes nicht um eine Märchenfigur handelt. Wer aber glaubt, dass Diabetes eigentlich keine richtige Erkrankung ist und mit ein paar Tricks abgewehrt werden kann, der glaubt auch an Rumpelstilzchen.
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