Diabetes mellitus Typ 2: Die schulmedizinischen Therapieoptionen
Am Diabetes mellitus Typ 2 als erbliche chronische Stoffwechselerkrankung leiden in Deutschland derzeit etwa fünf Millionen Menschen.
Experten schätzen, dass es eine hohe Dunkelziffer von Erkrankten gibt, bei denen die Diagnose lediglich noch nicht gestellt wurde. Wenn ein Diabetes mellitus erkannt wird, handelt es sich in neun von zehn Fällen um einen Typ II-Diabetes.
Es gibt zwei Störungen, die den Typ II-Diabetes auslösen:
einerseits eine gestörte Insulinsekretion und andererseits eine herabgesetzte Insulinwirkung (=Insulinresistenz).
Beide Störungen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Es besteht anfangs kein absoluter sondern ein relativer Insulinmangel, da zwar noch Insulin vorhanden ist, dieses aber an den peripheren Zellen nicht mehr wirken kann.
Die Ursachen für diese Insulinresistenz sind ein Insulinrezeptordefekt sowie ein Postrezeptordefekt, die eine gestörte Glukoseverwertung in der Zelle bedingen. Als Ursache für die gestörte Insulinsekretion wird die Ablagerung von Inselamyloidpolypeptiden (auch Amylin oder IAPP genannt) in den B-Zellen des Pankreas diskutiert.
Die wichtigste Erkenntnis über den Typ II-Diabetes ist, dass die Mehrzahl der Erkrankten am metabolischen Syndrom leidet.
Dieses auch als Wohlstandssyndrom bezeichnete Krankheitsbild wird definiert durch das Zusammentreffen von vier Risikofaktoren:
- stammbetonte Adipositas (=Fettleibigkeit),
- Dyslipoproteinämie (=gestörter Fettstoffwechsel),
- arterielle Hypertonie (=Bluthochdruck) und einer
- Glukosetoleranzstörung (=Diabetes mellitus Typ II).
Es wurde festgestellt, dass die Überernährung zusammen mit der Adipositas die entscheidenden Faktoren für die Entstehung eines Typ II-Diabetes sind.
Anhand dieser Erkenntnisse wurden die Therapieempfehlungen aufgestellt.
Die Therapieziele sind primär der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Lebensqualität.
Außerdem soll eine Symptomfreiheit erreicht werden, Akutkomplikationen, wie z.B. Infektionen, Koma und Hypoglykämien, und Folgekrankheiten vermieden werden und weitere Risikofaktoren sollten abgestellt werden.
Der erste Ansatz bei der schulmedizinischen Therapie des Diabetes mellitus Typ II ist die nicht-pharmakologische antihyperglykämische Therapie.
Dazu gehört die richtige Ernährung bei Diabetes Typ 2, die für jeden Patienten individuell ausgearbeitet werden sollte und bei Übergewicht auch zur Gewichtsreduktion führen sollte (Zielwert ist ein BMI unter 25).
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Erhöhung der körperlichen Aktivität im individuell möglichen Rahmen.
Diese erhöht nachgewiesenermaßen die Sensitivität der Muskeln für Insulin.
Um andere gefäßschädigende Faktoren auszuschalten, sollten außerdem der Nikotin- und der Alkoholkonsum reduziert werden.
Für diesen Therapieschritt und zur Unterstützung ist eine gut strukturierte Schulung für den Patienten unerlässlich.
Meine Praxiserfahrungen zeigt leider, dass viele Typ 2 Diabetiker einfach ein Antidiabetikum verordnet bekommen – und das bereits bei einem Langzeitzuckerwert von 6%. Klar: der Patient hat eine Tablette und der Arzt hat sich ein Gespräch gespart.
Der Effekt der nicht-pharmakologischen Therapie ist bei voller Wirksamkeit eine Senkung des HbA1c-Wertes um ca. 2%. Dieser Wert, der auch als Langzeitzuckerwert bezeichnet wird, sollte idealerweise unter 6,5% liegen.
Wenn nach dreimonatiger nicht-pharmakologischer Therapie keine Besserung der metabolischen Therapieziele erreicht werden konnte (HbA1c <6,5%, Blutzuckermesswerte im Normbereich, Blutfette und Blutdruck im Normbereich, Eiweißausscheidung im Urin verringert), ist in der schulmedizinischen Diabetes Typ 2 Therapie die pharmakologische antihyperglykämische Therapie angezeigt.
Die Therapie mit oralen Antidiabetika senkt den Hba1c-Wert im Mittel um 1%.
Bei Übergewicht und wenn es keine Kontraindikationen gibt, startet man eine pharmakologische Monotherapie mit dem Biguanid Metformin (Handelsnamen z.B. Biocos, Bonformin, Glucophage).
Metformin hemmt die Neusynthese von Glukose in der Leber, verzögert die Glukoseaufnahme im Darm und steigert die Aufnahme von Glukose in Fett- und Skelettmuskulaturzellen. Damit senkt es den Glukosespiegel im Blut.
Wenn der Patient normalgewichtig ist oder Metformin kontraindiziert ist, steigt man meist mit dem Wirkstoff Glibenclamid ein (Handelsnamen z.B. Duraglucon, Euglucon). Dieser Sulfonylharnstoff stimuliert die endogene Insulinsekretion. Dadurch kann der Blutzuckerspiegel gesenkt werden.
Im Gegensatz zum Metformin besteht bei Glibenclamid allerdings die Gefahr einer Hypoglykämie (=Unterzuckerung) bei Fehldosierungen.
Ist der HbA1c-Wert nach dreimonatiger Monotherapie noch immer erhöht (>7%), nimmt man ein zweites orales Antidiabetikum in den Therapieplan auf.
Die Metformintherapie kann mit den schon erwähnten Sulfonylharnstoffen (z.B. Glibenclamid, Glimepirid) ergänzt werden. Es kommen als Ergänzung auch die Acarbose, die Glinide und die Glitazone in Frage.
Die Acarbose, ein Alpha-Glukosidase-Hemmer (Handelsname z.B. Glucobay), hemmt im Darm die Aufspaltung von Zweifachzuckern in Glukose und verzögert so die Glukoseaufnahme im Darm.
Glinide (Handelsnamen z.B. Starlix, NovoNorm) sind Glukoseregulatoren, die direkt nach dem Essen wirken. Sie erwirken eine kurzfristige Insulinsekretion und werden direkt zu den Mahlzeiten eingenommen. Wichtig hierbei ist eine gute Schulung und Therapietreue.
Glitazone (Handelsnamen z.B. Avandia, Actos, Avandamet) verbessern die Empfindlichkeit von Fett-, Muskel- und Leberzellen für Insulin. Die herabgesetzte Insulinresistenz bewirkt einen erhöhten Transport von Glukose in die peripheren Zellen und damit ein Absinken des Blutzuckerspiegels.
Wenn die Monotherapie mit einem Sulfonylharnstoff begonnen wurde, kann man diese mit den schon beschriebenen Alpha-Glukosidase-Hemmern, einem Glitazon oder Metformin ergänzen.
Wenn auch die Zweifach-Therapie nach drei Monaten keinen Erfolg zeigt, spätestens aber, wenn nach ca. zehn Jahren die B-Zellen der Bauchspeicheldrüse erschöpft sind und es zu einem Sekundärversagen der Therapie gekommen ist, benötigt man die Insulintherapie.
Heutzutage wird grundsätzlich Humaninsulin verabreicht.
Bevor eine Insulintherapie begonnen werden kann, muss der Patient geschult werden, wie man den Blutzuckerspiegel selbst misst, wie man sich ernährt und wie man eine Insulinmenge berechnet sowie diese dann auch spritzt. Außerdem muss genau abgewogen werden, welche Therapie am besten zu den Lebensgewohnheiten passt.
Es gibt die Therapie mit einem Bedtime-Verzögerungs-Insulin (Insuman Basal, Huminsulin Basal), die ergänzend zur oralen Therapie die Nüchtern-Blutzuckerwerte durch einmaliges abendliches Spritzen in der Norm hält.
Die konventionelle Insulintherapie (CT) arbeitet mit Intermediärinsulinen oder Insulinmischungen aus Intermediär- und Normalinsulin. Hierbei muss ein starres Mahlzeitregime eingehalten werden. Der Patient muss essen, weil er Insulin gespritzt hat. Beispiele für Intermediärinsuline sind Insuman Basal und Huminsulin Basal. Insulinmischungen gibt es z.B. als Actraphane und Humalog Mix.
Die intensivierte Insulintherapie hat das sogenannte Basis-/Boluskonzept. Bei der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) wird der basale Bedarf durch berechnete Injektionen eines Intermediärinsulins gedeckt. Dann werden je nach gemessenem Blutzuckerwert und Umfang der geplanten Mahlzeit einzelne Dosen von Normalinsulin dazugegeben. Eine spezielle Form der ICT ist die Insulinpumpentherapie. Hier wird kontinuierlich mittels einer externen Pumpe Normalinsulin zugeführt.
Wenn die Aussicht besteht, dass die Diät und die oralen Antidiabetika nicht zur gewünschten dauerhaften Blutzuckerspiegelsenkung führen, kann der Arzt schon vor der Wartezeit eine Insulintherapie empfehlen.
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